Aus der Karibik ins Weltall: Die Tropico-Macher von Haemimont setzen uns in ihrem neuen Aufbauspiel auf dem vierten Planeten unseres Sonnensystems aus. Nur wenn wir geschickt wirtschaften, werden unsere Kolonisten überleben.
Der Mars ist in: Spätestens erst seit Andy Weirs Erfolgsroman Der Marsianer: Rettet Mark Watney und Elon Musks optimistischen Besiedelungsplänen ist unser Nachbarplanet wieder häufiger Gast in den Schlagzeilen. Schon in fünf bis zehn Jahren, meint zumindest der Paypal- und Tesla-Gründer Musk, könnten bemannte Missionen zu dem roten Himmelskörper starten. Vorbereiten können sich spätere Kolonisten vielleicht mit Surviving Mars.
Das auf der PDXCon 2017 angekündigte Strategiespiel setzt uns zur Aufgabe, einen permanenten Außenposten auf der fremden Welt einzurichten, der sich selbst und irgendwann auch menschliche Bewohner versorgen kann. Dabei versteht sich Surviving Mars als Mischung aus Wirtschaftssimulation, klassischer Aufbaustrategie und virtuellem Sandkasten (nicht nur wegen des Szenarios). Die technische Basis stellt die bereits in Tropico 3 bis 5 verwendete Eigenbau-Engine von Haemimont Games, die für Surviving Mars aufpoliert und angepasst wurde. Wir haben uns die Pre-Alphaversion des Titels auf der Messe in Stockholm angesehen und die Macher nach ihren Plänen befragt.
NASA gegen ESA
Los geht die Marsbesiedelung mit der Auswahl des Sponsors. Wer soll unsere Mission finanzieren? Die NASA? Die europäische Raumfahrtagentur ESA? Vielleicht die russische Behörde Roskosmos? Oder doch lieber die Japaner, die Inder oder die Chinesen? Jede Organisation verfolgt ihre eigenen Ziele und ihre eigenen Definitionen von Erfolg oder Misserfolg. Während es beispielsweise den Amerikanern auf die Ressourcenausbeutung ankommt (nur als Beispiel – die letztendlichen Ausrichtungen stehen noch nicht fest), sind die Europäer eher an Forschung interessiert.
Die Japaner feiern eine Roboter-Gemeinde als Durchbruch, wohingegen die Inder sich nur für eine nachhaltige menschliche Kolonie interessieren und unter Umständen die Mission abbrechen, wenn sich die Todesfälle unter den Astronauten häufen. Die Wahl des Sponsors legt also unsere ersten Aufträge fest. Einen Wettbewerb zwischen verschiedenen Lagern wird es allerdings nicht geben; unsere Siedlung ist im Spiel die einzige. Dafür dienen die Finanziers anfangs auch als Sicherheitsnetz. Falls etwas mächtig schief läuft und beispielsweise ein Asteroid unser Basislager zerstört, dürfen wir erneut Unterstützung anfordern. So wollen die Entwickler Sackgassen vermeiden.
Automatische Rover und Roboter übernehmen anfangs die meiste Arbeit.
Herausforderung für die Spieler
Mit dem Aussuchen des Landeplatzes und der Startressourcen bestimmen wir den Schwierigkeitsgrad. Je nach Koordinaten finden wir eine mehr oder weniger lebensfeindliche Umgebung und mehr oder weniger verwertbare Rohstoffe vor. So kann es sein, dass bestimmte Gegenden für permanente Sandstürme berüchtigt sind oder große Mengen an Regolith bieten (lockeres Gestein, das sich gut als Baumaterial eignet). Womöglich ist es dort auch besonders kalt, was die Lebenserhaltung für Mensch und Maschine erschwert.
Wir legen außerdem fest, wie viel Beton, Metall, Polymere und andere Grundstoffe unsere Transportraketen anlanden. „Wir möchten, dass die Spieler sich selbst Herausforderungen stellen“, erklärt Gabriel Dobrev, Chef von Haemimont. „Das gilt nicht nur für den Schwierigkeitsgrad, sondern auch für die Missionsstruktur. Klassische, starre Aufträge der Machart "Baue X Tonnen Erz ab" gibt es, abgesehen von der Anfangsphase und den Vorstellungen der Sponsoren, nicht. Es existiert nur das übergeordnete Ziel, eine permanente, nachhaltige Siedlung einzurichten. Wie man das anstellt, überlassen wir ganz dem Spieler.“
Aufgrund der schroffen Felsen und Gebirgsformationen, eignet sich nur ein kleiner Teil der Marsoberfläche zur Besiedelung.
Roboter kommen ohne Sauerstoff aus. Menschen können sich ohne Raumanzug aber nur in Kuppelhabitaten frei bewegen.
Mehr Science als Fiction
Für alle, denen das zuvor geschilderte zu sehr Minecraft und zu wenig Anno ist, soll es optionale Aufgaben geben, die gleichzeitig Teile einer fiktiven Hintergrundgeschichte erzählen. Wie die aussehen soll, will uns Dobrev auch auf Nachfrage noch nicht verraten. Aber er bezeichnet die Story-Versatzstücke als „Mysteries“, Geheimnisse, über die man im Spielverlauf zufällig stolpert. Das könnte beispielsweise die Entdeckung früheren Lebens auf dem Mars oder außerirdischer Artefakte bedeuten.
Dobrev betont aber, dass Surviving Mars ansonsten mehr Science als Fiction umfassen soll. „Nichts, was wir verwenden – Gebäude, Roboter, Prozesse zur Energie- und Wassergewinnung und so weiter – ist völlig aus der Luft gegriffen oder erst in vielen Jahrzehnten umsetzbar. Wir bemühen uns, möglichst alle Technologien auf vorhandene Erfindungen, konkrete Planungen der verschiedenen Weltraumagenturen oder zumindest Vorhersagen der Denkfabrik zu stützen. Ich weiß gar nicht mehr, wie viele Forschungspapiere ich in den vergangenen Monaten zu allen möglichen Themen studiert habe. Allerdings werden wir uns im Zweifel natürlich für Spielspaß statt Realismus entscheiden. Vieles, etwa den Anbau von Nahrungsmitteln, müssen wir zwangsweise vereinfachen, weil die Prozesse dahinter einfach viel zu komplex sind.“
Die Screenshots lassen verschiedene Einrichtungen erkennen: Krankenhaus, Spielplatz, Forschungsstation.
Ein bisschen Sims im Weltall
Die ersten Schritte auf dem Mars werden im Spiel jedenfalls genau wie in Wirklichkeit nicht von Menschen, sondern von Drohnen gemacht werden. Eines der ersten Projekte sollte demnach auch sein, die Energieversorgung der automatischen Helfer sicherzustellen, beispielsweise über Solarpaneele oder Windturbinen. Als nächstes steht eine Produktionskette für verschiedene Baurohstoffe an, denn die von der Erde mitgebrachten Vorräte halten nicht ewig. Schließlich gilt es, für Wasser und Sauerstoff zu sorgen und Habitate einzurichten, damit irgendwann menschliche Siedler die Roboter ergänzen. Denn die können zwar vieles, aber beispielsweise keine Forschung betreiben, die Voraussetzung für die späteren Projekte und Einrichtungen im Spiel ist.Im Vergleich zu ihren metallenen Gefährten zeigen sich die Pioniere aus Fleisch und Blut wesentlich anspruchsvoller. Damit sie sich wohlfühlen, müssen wir nicht nur für ihr leibliches, sondern auch geistiges Wohl sorgen. Zu den fünf Grundbedürfnissen der Menschen gehören auch Moral und Komfort. „Es gibt zwar derzeit kein richtiges Spielende, aber man könnte sagen, dass "echte" Marsbewohner, die dort geboren und aufgewachsen sind, die ultimativen Herausforderung darstellen“, sagt Gabriel Dobrev. „Damit Menschen Partnerschaften eingehen und Kinder zeugen, muss in der Kolonie wirklich alles rund laufen. Das kann man als Gradmesser sehen, wie gut man die Siedlung im Griff hat,“ führt er weiter aus. So komplex wie etwa Die Sims soll die Lebenssimulation freilich nicht werden. „Es geht darum, den Mars zu besiedeln, nicht Petra mit Jochen zu verkuppeln,“ stellt der Haemimont-Chef klar.
Mit den Solarzellen hinten produzieren wir Energie für Marsstation und Roboter.
Autor: Rüdiger Steidle, Redaktion: Benjamin Braun(GamersGlobal)