Digital Service Act - Vertauschte Rollen in Europa

Normalerweise sind die Rollen in Europa recht klar verteilt, insbesondere, wenn es rund um's Digitale geht. Die EU-Kommission schlägt eine Richtlinie vor, bei der man sich fragt, ob die über Postkutschen oder über Datenpakete reden. Nach einem Moment der Sprachlosigkeit geben tatsächliche Fachleute ihren Senf dazu und das EU-Parlament fängt das Ganze mehr oder weniger wieder ein, so dass am Ende zumindest ein erträglicher Kompromiss herauskommt. So zuletzt geschehen bei der Neugestaltung des Urheberrechts.

Nun steht das nächste große Vorhaben im Bereich des Digitalen an, der Digital Service Act. Der DSA ist sowas wie das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz auf europäischer Ebene. Es geht also um die Regulierung (großer) Plattformen und diesesmal geht es nicht nur um Urheberrecht, sondern um das große Ganze, sprich (illegale) Inhalte jeglicher Couleur (neben Urheberrecht auch Hassrede, Desinformation, Accountsperren, betrügerische Onlinemärkte usw). Doch dieses Mal scheinen die Rollen vertauscht. Während der zuständige Digital-Kommissar Thierry Breton schon Ende letzten Jahres zwei Gesetzesvorschläge (zum DSA kommt noch der Digital Market Act) vorlegte, die recht moderat ausfielen und entsprechend auf weit weniger Ablehnung stiessen, als die ersten Gehversuche beim Urheberrecht, kommen aus dem EU-Parlament auf einmal viel schärfere Forderungen, die all das konterkarieren, was man selbst mit viel Einsatz beim Urheberrecht noch verhindert hat. Da geht es um die Reaktionszeit für Löschpflichten (24h vs 30min), Umfang derjenigen, die es betrifft (große Plattformen vs "alle"), Wegfall von Ausnahmen (z.B. Wikipedia), angedrohte Strafen (Geldstrafen vs Entzug des Haftungsausschlusses) uvm. Selbst für kleine, nicht kommerzielle Plattformen wie unser geliebtes Spielerheim könnte das am Ende ziemlich unschön werden.

Ausführlicher Kommentar von Julia Reda auf heise online

(veröffentlicht unter CC BY 4.0)