1983 veröffentlichte Herbert Grönemeyer auf dem Album Gemischte Gefühle den Song Kaufen. Im Refrain heißt es "Ich kauf mir was, Kaufen macht soviel Spaß. Ich könnte ständig kaufen gehen.". Der sozialkritische Song zielte damals auf das viel diskutierte Phänomen Kaufsucht ab. Aber auch, wenn heutzutage ganz andere Süchte im Vordergrund stehen, ist der Song eigentlich genauso relevant wie eh und je. Die Methoden, nach denen verkauft wird, sind nahezu gleichgeblieben - "Angebot", "nur für kurze Zeit", "neu", "limitierte Stückzahl" und "jetzt mit ..." sind die Schlagworte, deren Wirkung auf die menschliche Psyche hinreichend erforscht sind. Was seit je her funktioniert, klappt auch bei Games und anderen digitalen Gütern, fast jeder kennt ihn, die meisten haben ihn, den "Pile of Shame", die Sammlung an Spielen, die man im Summer-/Winter-/Spring-/Publisher-Sale gekauft und dann nie angespackt hat.
Doch mit zunehmender Digitalisierung erweitert und verlagert sich das ich nenne es mal Problem, und das schleichend und oft unbemerkt. Lange Zeit und auch gerade aktuell in Klima- und Inflationskrise standen und stehen die klassischen Fragen rund um's Kaufen im Fokus: "Was kostet das, ist das wirklich ein Angebot?", "Ist das nachhaltig?" oder auch "Brauche ich das überhaupt?". Dadurch laufen aber auch die Fragen, die im Zuge der Digitalisierung eigentlich mehr und mehr an Bedeutung gewinnen sollten, nahezu immer noch vollständig unter dem Radar der meisten Menschen - "Was kaufe ich da wirklich?", "Kaufe ich da überhaupt etwas?" und "Was ist der tatsächliche Preis?". Ein Liste von Beispielen:
- Landmaschinen-Hersteller unterbinden Reparaturen durch "nicht authorisierte Werkstätten" und sammeln Daten, selbst solche, die eigentlich unter das Betriebsgeheimnis der landwirtschaftlichen Betriebe fallen.
- Autohersteller verbauen Teile und Funktionen, die aber nur bei zusätzlicher Bezahlung per Click freigeschaltet werden, so z.B. eine höhere Batteriekapazität bei Tesla, die man aber genauso schnell per Click wieder deaktivieren kann. Daneben sammeln moderne Autos jede Menge Daten, darunter viele, die für eine eventuelle Reparatur gar nicht nötig sind bzw bei denen das Mißbrauchspotential weit höher ist als der Nutzen. Das geht soweit, dass z.B. ein BMW die Stellung des Fahrersitzes ausliest. Mit solchen Daten könnte ein Versicherer z.B. einen anderen Fahrer nachweisen.
- Smarte Geräte werden (zumeist) über die Server der Hersteller gesteuert. Wird so ein Server abgeschaltet, bleibt dem Kunden eigentlich nur noch der Materialwert. Und natürlich werden auch hier jede Menge Daten gesammelt.
- MMOs und Plattformen wie Steam untersagen den Verkauf von Accounts.
- Spieleplattformen wie Steam untersagen bzw unterbinden den Weiter-Verkauf einzelner Spiele.
- Sony streicht rund 300 Filme aus den Bibliotheken von "Käufern", bei denen offensichtlich die Lizenz ausgelaufen ist.
- Spielehersteller wie Ubisoft schalten immer wieder Server ab, so dass Mehrspielerfunktionen von Spielen nicht mehr nutzbar sind.
- Apple Music hat letztes Jahr seinAngebot an Hörbüchern gehörig zusammengestrichen.
- Amazon splitted sein Prime Video Angebot in ein Abo- und ein Werbeangebot. Wer bezahlt, bekommt nicht mehr "das volle Programm". Zudem hat der Konzern wahrscheinlich schon gesammelte Daten mißbraucht, um erfolgreiche Produkte externer Händler zu kopieren..
- hp verkauft Drucker, die zwingend ein Kundenkonto erfordern, inlusive Zwang zur Cloud-Nutzung und zur Verwendung von Original-Tintenpatronen.
- Windows läßt sich nur noch durch "Tricks" ohne MS-Konto verwenden, wobei auch schon Konten teils willkürlich unter der nebulösen Begründung "Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen" gesperrt wurden.
- Nicht nur Regierungen, sondern auch Konzerne wie Apple und Microsoft (s. Link einen Eintrag weiter oben) wollen private Festplatteninhalte scannen oder tun dies bereits durch eine (schwer zu umgehende) Zwangssyncro mit ihren Clouddiensten. Selbst Ende-zu-Ende-Verschlüsselung wird dabei in Frage gestellt.
Es sind also nicht nur die rein digitalen Güter, bei denen "Besitz" und "Eigentum" oftmals fraglich sind, wo "Kaufen" gerne verschleiert nur den Erwerb einer zeitlich begrenzten Lizenz meint, auch bei "klassischen" Produkten sind das mehr und mehr offene Fragen. Man kann sich diesem Trend kaum noch entziehen, längst zeichnet sich ab, dass der Mensch zukünftig eine umfassende Digitalkompetenz benötigen wird, während unsere Bildungspolitiker noch überlegen, wie man Medienkompetenz vermitteln könnte. Daher wollte ich einfach mal mit den obigen Beispielen zusammenfassen, was ich so in den letzten Jahren so gelesen und teilweise hier auch in den News veröffentlicht habe, damit sich ein hoffentlich schlüssiges Gesamtbild ergibt. Ich für meinen Teil sehe darin zumindest einen Hinweis darauf, dass wir in Zukunft noch viel, viel bewußter einkaufen müssen, als das unsere Eltern taten und realisieren, dass wir vieles eigentlich nur noch mieten oder eben mit viel mehr bezahlen als "nur" Geld. Vielleicht bin ich aber auch nur ein alter Mann, der mit der Zukunft nicht mithalten kann und nicht von seinen alten Gewohn- und Gewissheiten lassen kann.